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23.01.2019

7 min

Feature: Wickeltisch und Pappmaché

Ab heute verbindet die neue Erlebnisroute „ManufakTour“ 20 außergewöhnliche Werkstätten und Produzenten im Garten- und Seenland Mecklenburg-Schwerin

Ramona Stelzer stellt in Wismar Schmuck aus Fischleder her. © Angelika Lindenbeck/MV-Foto e. V.
Unter dem Titel „ManufakTour“ geht ein nagelneues touristisches Angebot im Westen unseres Bundeslandes an den Start. Die Entdeckerroute offeriert interessierten Gästen 20 Orte in den Landkreisen Ludwigslust-Parchim und Nordwestmecklenburg sowie in der Landeshauptstadt Schwerin, die traditionelles Handwerk mit modernem Design und innovativen Techniken verknüpfen. Dabei liege das Augenmerk ganz bewusst auf hochklassigen Angeboten, wie Projektkoordinatorin Corinna Hesse erklärt: „In ManufakTour sind ausschließlich Künstler und Könner vereint, die sich bewusst für hochwertige Materialien, exklusives Design und handwerkliche Tradition entschieden haben.“ „ManufakTour“ folge dem wachsenden Interesse der Verbraucher an regionalen Produkten und den althergebrachten Techniken ihrer Herstellung, sagt Heiko Boje vom Landkreis Nordwestmecklenburg: „Mit dem Projekt möchten wir dazu beitragen, dieses Wissen zu erhalten und weiterzugeben – und gleichzeitig spannende Protagonisten vorstellen, die diese Traditionen sehr individuell und auf höchstem Niveau weiterentwickeln.“ Dabei kann man den Meistern der zum Teil inzwischen sehr raren Gewerbe nicht nur gründlich auf die Finger schauen. Bei manchem ist Mit- und Selbermachen ausdrücklich erwünscht; so gibt es für Laien etwa Kurse im Schmieden und Filzen oder der Keramik- und Pappmaché-Herstellung. „ManufakTour“ ist eine von fünf neuen „Kulturlandschaftsrouten“, die von der Metropolregion Hamburg entwickelt und geschaffen wurden. Sie hat zum Ziel, Besuchern die typischen Kulturlandschaften näherzubringen sowie regionalen Produzenten durch die Verbindung des touristischen Angebotes mit digitalen Marketinginstrumenten wie einer gemeinsamen Online-Plattform einen sehr viel größeren Markt zu eröffnen. Die Metropolregion Hamburg erstreckt sich von Cuxhaven bis Wismar und von Fehmarn bis Uelzen. Hier leben und arbeiten gut fünf Millionen Menschen. Neben den Manufakturen im Garten- und Seenland Mecklenburg-Schwerin zeigen auch das Pinneberger Baumschulland, die Flusslandschaft Elbe, die Lüneburger Heide sowie die Segeberger Knicklandschaft, wie Menschen seit Jahrhunderten die Landschaften geprägt haben. Die primär für Autofahrer gedachte „ManufakTour“ geht heute auch mit der Webseite www.mecklenburg-schwerin.de/manufaktour online und kann auch per Smartphone-App und Audio-Guide „erfahren“ werden. Welche und wie viele Manufakturen dann an einem oder mehreren Tagen besichtigt werden, ist jedem je nach Lust, Laune, Ausdauer, Zeit und Interesse selbst überlassen. Zur Auswahl stehen unter anderem:
Ludwigslust: Pappmaché im Palais

Das Palais Bülow in Ludwigslust ist nicht nur ein klassizistisches Unikat innerhalb der barocken Stadtanlage; das Adelswohnhaus von 1830 beherbergt zudem eine Einrichtung, in der eine spezielle Handwerkskunst nach vielen Jahren Abstinenz zu neuem Dasein erweckt wurde: die Pappmaché-Manufaktur. Im 18. und frühen 19. Jahrhundert ein städtisches Metier von herausragendem Ruf: Kunstvoller Raumschmuck aus Pappmaché eroberte von Ludwigslust aus die europäischen Salons, die „Carton-Fabrique“ lieferte Meisterwerke bis nach London und Paris. In Ludwigslust entstanden täuschend echte Imitationen von Gold und Marmor, von Möbeln und Stuck und sogar von kompletten Statuen, die in Schlossgärten Wind und Wetter trotzten. Seit 2013 – nach 150-jähriger Pause – wird nun in Ludwigslust erneut Pappmaché gefertigt. Und Besucher dürfen gern auch selbst Hand anlegen. Palais Bülow – Papiermaché-Manufaktur
Iris und Norbert Leithold | Kanalstraße 28 | 19288 Ludwigslust
Tel. 03874 5708959
Weitere Informationen, Führungen und Workshops nach Anmeldung unter: www.palais-buelow.de Basthorst: Harmonie aus Filz und Seide
Jede Idee beginnt mit einem Traum. Sagt Claudia Stark aus Basthorst bei Schwerin. Bei ihr führte die Vorstellung, fernöstliche Leichtigkeit und stoffliche Transparenz in Einklang zu bringen mit abendländischer Sinnlichkeit und Eleganz jedenfalls zu einer kunstvollen Synthese. Aus feinster Merinowolle und edler Chiffonseide nämlich komponiert sie außergewöhnliche Harmonien und verwirklicht so ihre Träume von Schals und Hüten, von Stulpen und Accessoires. In Claudia Starks Filzmanufaktur werden die kostbaren Naturmaterialien in manueller Walktechnik miteinander verwoben, Filz und Seide geformt zu faszinierenden Unikaten. Bei Farben, Formen, Strukturen und Licht lässt sich die Künstlerin aber auch inspirieren von der Natürlichkeit und Weite der Mecklenburger Landschaft – wie könnte es auch anders sein. Manufaktur Basthorst
Claudia Stark | Schloßstraße 27 | 19089 Basthorst
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag 13.00 bis 19.00 Uhr
Individuelle Besuche nach Absprache: Tel. 0162 4260402
Weitere Informationen: www.claudia-stark.com Sukow: Die Seele des Porzellans
Auch für Kerstin Behrens in der „ersten mecklenburgischen porzellanmanufaktur“ ist das Land stete Quelle der Inspiration. Wind und Wasser, die Spuren hinterlassen. Wellen und Strand, die eigene Formensprache offenbaren. Stürme, die Materialien und Geschichten anspülen – für Kerstin Behrens ist all das Ästhetik pur und der Ursprung für jegliche künstlerische Gestaltung. Ihr Metier sind feinste Porzellangegenstände, in Handarbeit gefertigt in der Werkstatt südlich von Schwerin. Hier formt und bemalt die Designerin, die ihr Handwerk in der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meißen gelernt hat, filigrane Porzellanservices, Figuren, Schmuck und andere kleine Kunstwerke. Und schwärmt von der Seele des Materials: „Porzellan ist rein und sehr sensibel. Man darf ihm nicht unehrlich gegenüberstehen. Und es verzeiht keinen Fehler. Deshalb liebe ich es so sehr.“ erste mecklenburgische porzellanmanufaktur
Kerstin Behrens | Hauptstraße 9a | 19079 Sukow
Tel. 03861 3022400
Weitere Informationen: www.porzellan-manufaktur.de Dömitz: Die Wunderwelt der Wandwickeltische
„Die klappbare Wickelkommode ist neben dem privaten Gebrauch im Babyzimmer besonders für den professionellen Einsatz in Kindergärten, Krippen und Krankenhäusern sowie im Hotel- und Gaststättengewerbe geeignet“, heißt es in einer Annonce. Und weiter: “Alle Wandwickeltische von timkid sind platzsparend, rückenschonend, ausklappbar, besonders formschön und schaffen Ordnung.“ Das hier stark verkürzt zitierte Werbe-Loblied hat seinen guten Grund: Wandwickeltische von timkid, der Kindermöbel-Manufaktur aus Dömitz an der Elbe, sind offenbar der Renner bei vielen, die mal eben schnell und dank spezieller Bremsen auch absturzsicher ihren Nachwuchs trocken legen wollen – auf hochwertigem und TÜV-geprüftem Material und ausschließlich im Lande hergestellten Produkten. Sogar im Besucherbereich des Deutschen Bundestages steht ein Wickeltisch von timkid. Dessen breite und bunte Palette kann man gern vor Ort bestaunen – auch diese Manufaktur steht Besuchern nach Voranmeldung offen. timkid Kindermöbel GmbH
Tim Schinkel | Mühlendeich 15 | 19303 Dömitz
Tel. 038758 36933
Besuch: Montag bis Donnerstag 8.00 bis 17.00 Uhr, Freitag 8.00 bis 12.00 Uhr,
Voranmeldung per Telefon oder Mail
Weitere Informationen: www.timkid.de Testorf: Magisches aus Papier
In Testorf bei Zarrentin am Schaalsee dreht sich alles um Papier. Zumindest bei Anke Meixner. Die Industriedesignerin und Papierkünstlerin liebt das Material wegen des reizvollen Kontrastes seiner Eigenschaften: leicht und zart zum einen, zum anderen aber auch robust, fest und stark. In ihrer Werkstatt stellt sie Papier aus unterschiedlichen Ausgangsstoffen selbst her, wobei bereits die Arbeit mit dem Schöpfsieb zum künstlerischen Akt wird. Nach dem Prinzip der Collage setzt sie verschiedenfarbige Faserschichten übereinander. Benutzt Schablonen auf dem Sieb und lässt Abdrücke von Figuren entstehen. Schichtet Papier in warmen Erdtönen zu orientalischen Mauern und Mustern. Oder entwirft abstrakte Formen, in die sie zum Beispiel Rillen prägt oder Schafwolle einarbeitet. Ein zauberhaftes Universum jedenfalls, zu dem auch räumlich-plastische Objekte gehören wie die federleicht durch den Raum schwebenden unbekannten Flugobjekte. Kunstraum Testorf – Galerie für zeitgenössische Kunst und Papierwerkstatt
Anke Meixner | Kastanienallee 5 | 19246 Testorf bei Zarrentin
Tel. 038851 33144 | 0163 4391512
Besuch nach telefonischer Anmeldung
Weitere Informationen: www.kunstraum-testorf.de Wismar: Schmuckes aus Fischhaut
Wer die glänzenden, leuchtend farbigen und kunstvoll gemusterten „Stoffbahnen“ sieht, die Ramona Stelzer an ihre Atelierwände gehängt hat, mag kaum glauben, dass dieses Material aus Fischleder ist. Und dass man daraus sogar Schmuck machen kann. Doch genau das tut die gelernte Goldschmiedin. Sie kombiniert das reißfeste und strapazierfähige Material mit Edelmetallen. Fertigt daraus Ringe, Ohrstecker oder Kettenanhänger und schafft Einzelstücke, die auch gefragt sind als einzigartige Souvenirs. Ihr Favorit: Rochenhaut. Diese enthält feine Hornkügelchen, die geschliffen und poliert einen besonders edlen Glanz entwickeln. Für die Männerkollektion hingegen bevorzugt sie Leder vom Stör, „weil das fast so markant wie bei Reptilien ist und jeder Fisch eine individuelle Musterung auf der Haut hat.“ Einer ihrer Lieferanten übrigens ist ein sibirischer Künstler, der auf der Suche nach seinen indigenen Wurzeln auf die uralte Kunst des Gerbens und Färbens von Fischleder stieß, und sie neu erlernte. stelzer design – Schmuck aus Fischleder
Ramona Stelzer | Lübsche Str. 56 | 23966 Wismar
Tel. 0178 3631081
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag 11.00 bis 17.00 Uhr (im Juni und September auch Samstag 11.00 bis 15.00 Uhr)
Weitere Informationen: www.ramonastelzerdesign.com Schwerin: Edles aus Pelz
Seit über 100 Jahren arbeitet Familie Weidner mit Pelzen. Zunächst in Dresden, wo Ella Weidner 1904 ihre Kürschnerei gründete, dann in Wismar und Schwerin, wohin Enkel Götz Weidner den Betrieb später verlagerte und die Kürschnerei mit einer Lederschneiderei verband. Das Sortiment ist entsprechend vielfältig inklusive maßgeschneiderter Kombinationen aus Pelzen, Leder und Stoffen. Besonderen Wert legt Weidner dabei auf hohe Umweltstandards in der Produktion sowie das Pelz-Recycling: „Pelze lassen sich bis zu fünf Mal ohne Qualitätsverlust umarbeiten – so können wir auch Erbstücke neuen Bedürfnissen, aktuellen Moden und Schnitten anpassen“, verrät der Profi. In Zusammenarbeit mit jungen Modedesignern haben seine Mäntel und Jacken mehrfach Wettbewerbe und Preise gewonnen und mit dafür gesorgt, dass „das wunderbare atmungsaktive Naturmaterial mit dem hohen Tragekomfort sein verstaubtes Image als Statussymbol heute vollkommen abgelegt hat.“ Weidner Pelze & Leder
Götz Weidner | Grüne Straße 1 | 19055 Schwerin
Tel. 0385 5932978
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10.00 bis 18.00 Uhr
Weitere Informationen: www.naturpelz.de Schwerin: Extremes vom Rotfuchs
In der Schweriner Werdervorstadt rattern die Nähmaschinen. Hier haben Christian Karius und Stephan Porth ihre Red Rebane Manufaktur eingerichtet für Rucksäcke, Fahrrad- und Gürteltaschen. Keine Allerweltsdinger allerdings: Die Outdoor-Junkies produzieren per Hand nicht mehr und nicht weniger als extrem robuste „Freunde“, „die uns ein Leben lang begleiten und selbst beim härtesten Abenteuer absolut verlässlich sind.“ Deshalb verwenden die ausgebufften Tüftler – Rebane ist estnisch und heißt Fuchs – zum Beispiel das wasserdichte und abriebfeste Cordura und vernähen es mit Garn aus dem Segelsport in der kräftigsten verfügbaren Stärke. Besonders wichtig ist Christian und Stephan dabei stets der Kontakt zur Zielgruppe – Outdoor-Enthusiasten wie sie selbst, die mit ihrem Input zur steten Verbesserung der Produkte beitragen. Und dabei helfen, der Perfektion Stück für Stück näherzukommen. Red Rebane GmbH | Taschenmanufaktur
Christian Karius, Stephan Porth | Möwenburgstraße 23-25 | 19055 Schwerin
Tel. 0385 59 32 16 65
Besuch: Montag bis Freitag nach Absprache
Weitere Informationen: www.red-rebane.de Weitere Informationen zur Erlebnisroute „ManufakTour“: www.mecklenburg-schwerin.de/manufaktour Weitere Fotos zum Herunterladen:
Claudia Stark bei der Arbeit in ihrer Manufaktur Basthorst (Quelle: Anke Berger/MV-Foto e. V.) Anke Meixner betreibt die Papierwerkstatt KUNSTRAUM TESTORF bei Zarrentin am Schaalsee (Quelle: Anke Berger/MV-Foto e. V.) timkid-Inhaber Tim Schinkel ruht sich in einem seiner Möbel aus (Quelle: Klaus Schimmagk/MV-Foto e. V.)