Trotz eines guten Jahresverlaufs und Übernachtungszuwächsen in allen Regionen blicken Teile der Tourismusbranche Mecklenburg-Vorpommern mit Sorge in die Zukunft. Gründe dafür liegen zum einen in der Ungewissheit über die zukünftige Finanzierung von Marketing und Infrastruktur in vielen Regionen und einigen Orten des Landes. Zum anderen in der Befürchtung, dass touristische Belange im Zuge der Industrialisierung der Landschaft durch die Produktion erneuerbarer Energie mittels Windkraft oder Biogasanlagen sowie ausgedehnte Landwirtschaft zu wenig beachtet werden könnten.
2013 war für die Tourismusbranche ein wechselhaftes, aber letztlich erfolgreiches Jahr. Nachdem die Monatsstatistik für September vorliegt, ist davon auszugehen, dass die Zahl der Übernachtungen in den größeren Beherbergungsbetrieben zum zweiten Mal nach 2009 (28,4 Millionen) über die Marke von 28 Millionen gelangt. „Die Tourismusbranche ist leistungsfähig und verlässlich, das hat sie unter teils schwierigen Bedingungen in diesem Jahr bewiesen“, erklärte Sylvia Bretschneider, Präsidentin des Landtages und des Tourismusverbandes MV beim 23. Tourismustag des Landes im Ostseebad Ahrenshoop.
Rekordniveau von 2009 wird erreicht / Viele Regionen und Bereiche im Plus / Ausland legt zu
Vom 1. Januar bis 30. September 2013 wurden zwischen Ahlbeck und Zarrentin 23,9 Millionen Übernachtungen und 5,9 Millionen nächtigende Gäste gezählt. Dies entspricht Zuwächsen gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 1,5 Prozent bei Übernachtungen und 1,4 Prozent bei Ankünften. Erfreulich ist, dass im bisherigen Jahresverlauf bis auf die Mecklenburgische Seenplatte (-0,9 Prozent) und Vorpommern (-0,1 Prozent) alle touristischen Regionen ein Übernachtungsplus aufweisen, welches sich zwischen kleineren Zuwächsen wie auf der Insel Rügen mit 0,4 Prozent und größeren Gewinnen wie an der Mecklenburgischen Ostseeküste mit 6,0 Prozent bewegt. Stark legten in den ersten drei Quartalen auch die Hansestädte Rostock mit mehreren neuen Hotels und Wismar zu. Unter den verschiedenen Beherbergungsarten konnte nach einem späten Saisonstart vor allem die Campingbranche punkten, die bei den Übernachtungen im Vergleich zu 2012 8,2 Prozent hinzugewann und sich im Sommer an die Spitze aller Bundesländer setzte. Auch die Hotels (+3,8 Prozent), die Pensionen (+ 1,4 Prozent) sowie die Reha-Kliniken (+3,0 Prozent ) schlossen den Zeitraum zwischen Januar und September mit einem positiven Ergebnis ab. Einen Übernachtungsrückgang von 3,8 Prozent müssen die Ferienunterkünfte verkraften. Erneut erfreulich ist die Entwicklung bei ausländischen Touristen. Gegenüber dem Vorjahr steigerten sich die Übernachtungen zwischen Januar und September um 6,3 Prozent auf 834.000, sodass Mecklenburg-Vorpommern zum Ende des Jahres erstmals in den Bereich von einer Million Übernachtungen ausländischer Gäste kommen wird. Besonders Niederländer, Schweden, Dänen und Polen reisten häufiger in die Regionen zwischen Ostsee und Seenplatte, auch bei Schweizer Gästen gab es erneut ein kleines Plus.
Für das letzte Quartal des Jahres rechnet der Landestourismusverband mit mehr als vier Millionen weiteren Übernachtungen, sodass zum Jahresende eine ähnlich gute Gesamtbilanz wie im Rekordjahr 2009 stehen wird. „Das Ziel für die nächsten Jahre ist es, die Übernachtungszahl in einem Bereich oberhalb von 28 Millionen zu stabilisieren. Angesichts des Wettbewerbes und der Herausforderungen für die Tourismusbranche ist dies kein Automatismus. Mit qualitativem Wachstum wollen wir das quantitative Niveau halten“, sagte Sylvia Bretschneider.
Allen Tourismusorten gerechte und zweckgebundene Fremdenverkehrsabgabe ermöglichen
Deutlich wies sie auf dem Tourismustag auf die Bedeutung der hiesigen Tourismuswirtschaft hin: „In keinem anderen Bundesland trägt der Tourismus so viel zur Wirtschaftsleistung bei wie in Mecklenburg-Vorpommern. Als Rückgrat der Wirtschaft bietet er zehntausende krisensichere, nicht exportierbare Arbeitsplätze und eine gute Entwicklungsperspektive. Zudem sorgt er für die positivsten Schlagzeilen aus dem Nordosten.“ Allerdings müssten auch bei neuen Schwerpunktsetzungen des Landes weiterhin gute Rahmenbedingungen für die Tourismusbranche gegeben sein. Dies betreffe die Fördersituation in der neuen EU-Periode ab 2014, die allgemeine Finanzierbarkeit von touristischer Infrastruktur sowie die Arbeitsfähigkeit von Marketingorganisationen insbesondere auf regionaler und Ortsebene. „Wir müssen dabei auch neu, gemeinschaftlich und über das Eigeninteresse hinaus zu denken wagen, denn Angebotsqualität, Vermarktung und das Image von Urlaubsland und Reiseregionen sind wesentliche Pfeiler des zukünftigen Erfolgs aller Akteure“, so die Verbandspräsidentin. Der Tourismus brauche weiterhin starke Unternehmen, Orte, Regionen, eine starke Landesvermarktung sowie eine kluge Abstimmung und Arbeitsteilung zwischen den Ebenen. Sylvia Bretschneider sprach sich dafür aus, auch solchen Orten die Möglichkeit zu gewähren, nach eigenem Ermessen eine zweckgebundene und gerechte Fremdenverkehrsabgabe für vom Tourismus profitierende Unternehmen einzuführen, die dazu derzeit kommunalrechtlich nicht in der Lage sind. Bislang sind dazu allein Kur- und Erholungsorte mit Prädikat befähigt, jedoch nicht die größeren Städte im Land sowie diejenigen Orte mit touristischer Prägung, welche keine Anerkennung als Kur- oder Erholungsort haben oder suchen. Sylvia Bretschneider: „Mit einer ausgeweiteten Regelung könnten sich auch leidige Bettensteuerdiskussionen und -experimente erübrigen.“ Darüber hinaus ist damit die Wettbewerbsfähigkeit des Landes sichergestellt, denn alle anderen Bundesländer haben ihren Kommunen bereits weiterreichende Lösungen zur Erhebung von Fremdenverkehrsabgaben ermöglicht bzw. arbeiten derzeit daran, diese umzusetzen.
Energiewende und Industrialisierung der Landschaft: Verband fordert Kommunikationsstrategie zur Wahrung des touristischen Images
Neben der Finanzierungsfrage stand mit der Verträglichkeit von Energiepolitik und Industrialisierung mit dem Tourismus ein zweites wichtiges Thema auf der Tagesordnung des Tourismustages. „Die bundespolitisch eingeläutete Energiewende mit den damit für Mecklenburg-Vorpommern verbundenen Chancen wird von der Tourismusbranche grundsätzlich begrüßt, jedoch auch genau beobachtet und kritisch begleitet“, sagte Sylvia Bretschneider. So gäbe es Bedenken hinsichtlich einer negativen Veränderung des Landschaftsbildes durch Windkraftanlagen an Land und auf See. Diese sollten bei der Neuordnung von Räumen und der Ausweisung von Eignungsgebieten zwingend beachtet werden. „Windräder sechs Kilometer vor Ostseebädern oder in naturnahen, touristisch bedeutsamen Regionen sind so wenig zu verkraften wie Ölbohrtürme im Wasser. Auch sei in jedem Einzelfall genau zu prüfen, inwieweit sich die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft mit dem Image des Natururlaubslandes und dem Wunsch vieler Gäste nach Regionaltypischem vertrage. Das Land stehe vor der großen Herausforderung, der bundesweiten Öffentlichkeit zu vermitteln, dass und wie Tourismus und Industrialisierung miteinander in Einklang zu bringen sind. „Wer bei seiner Fahrt auf der Autobahn hunderte Windräder zählt, soll damit etwas Positives und Zukunftsgewandtes verbinden und gleichzeitig wissen, dass die Reiseregionen in Mecklenburg-Vorpommern nichts von ihrer Schönheit eingebüßt haben.“ Um diese Aufgabe zu bewältigen und das Image des Urlaubslandes zu wahren, liegt es aus Sicht des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern in der Verantwortung des Landes, eine gesonderte Kommunikationsstrategie zum Thema zu beauftragen und umsetzen zu lassen.